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Bundesregierung: VOLK? Das sind die anderen!

Matthias Helferich, Mitglied des Bundestags

7.06.2023

Eine Zugehörigkeit zum deutschen Volk neben der Staatsangehörigkeit zu sehen, ist für das Bundesamt für Verfassungsschutz »erwiesen rechtsextremistisch«.

Aber was ist dann das deutsche Volk?, fragte ich die Bundesregierung. Die Antwort lässt aufhorchen:

Die Unterscheidung zwischen deutschen Staats- und Volkszugehörigen würde die Menschenwürde aus Art. 1 Abs. 1 GG verletzen, so das Innen- und Heimatministerium.

Nationale Minderheiten jedoch seien dadurch gekennzeichnet, dass »sie die deutsche Staatsangehörigkeit mit fremder Volkszugehörigkeit verbinden«.

Aber Moment, war nicht genau diese Trennung für Deutsche laut Regierung verboten? 

Es zeigt sich also: Volk ja, aber bitte nur bei anderen. In Deutschland gehört laut Bundesregierung eben jeder dazu oder in der Konsequenz: Niemand.

Folgend meine Anfrage und die komplette Antwort der Bundesregierung:

Frage 

Existiert auf dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland nach Auffassung der Bundesregierung eine Teilmenge der Gesamtheit des deutschen Staatsvolkes, die sich ihrerseits über eine „deutsche Volkszugehörigkeit“ auszeichnet, die beispielsweise in Artikel 5 [Staatsvolk, Minderheiten] der Verfassung des Freistaates Sachsen Erwähnung findet, beziehungsweise die in § 6 Volkszugehörigkeit des Gesetzes über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge (Bundesvertriebenengesetz – BVFG) über ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum bestimmt wird, „sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird“, und wenn ja, inwieweit haben deutsche Staatsbürger mit einer deutschen Volkszugehörigkeit in der Bundesrepublik Deutschland nach Auffassung der Bundesregierung ein Recht „auf Bewahrung ihrer Identität sowie auf Pflege ihrer Sprache, Religion, Kultur und Überlieferung“, wie es Artikel 5 Absatz 2 [Staatsvolk, Minderheiten] der Verfassung des Freistaates Sachsen für nationale und ethnische Minderheiten vorsieht, ohne dass das Bundesamt für Verfassungsschutz diesen Anspruch auf Bewahrung sogleich als „rechtsextrem“ einstuft, da – wie in einem aktuellen Beispiel behauptet – dadurch propagiert werden würde, „dass es ein deutsches Volk jenseits des im Grundgesetz als der Gesamtheit der deutschen Staatsangehörigen definierten Staatsvolkes gebe“ (Quelle)? 

Antwort 

Die Frage zitiert verkürzt eine Pressemitteilung des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), die unter anderem die Hintergründe der Einstufung des „Instituts für Staatspolitik“ (IfS) als gesichert extremistischen Bestrebung darstellt. Vollständig und zutreffend wiedergegeben lautet die Passage wie folgt: 

Die im Rahmen der Verdachtsfallbearbeitung zum IfS gesammelten und ausgewerteten Informationen haben den Verdacht von Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht zur Gewissheit verdichtet. Deutlich wird dies insbesondere bei zahlreichen Äußerungen, die sich gegen die Menschenwürde (Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes) richten.

So vertreten die Führungspersonen des IfS ein ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis und streben ein ethnokulturell möglichst homogenes Staatsvolk an. Die propagierte Vorstellung, dass es ein deutsches Volk jenseits des im Grundgesetz als der Gesamtheit der deutschen Staatsangehörigen definierten Staatsvolkes gebe, impliziert eine Herabsetzung von eingebürgerten Staatsangehörigen zu Deutschen zweiter Klasse. Diese Vorstellung wird durch das IfS nicht ausschließlich, aber insbesondere über das Ideologem des Ethnopluralismus transportiert. Darüber hinaus behaupten die handelnden Akteure in einer die Menschenwürde verletzenden Weise eine drohende „Auflösung des deutschen Volkes“ und einen angeblich stattfindenden „Bevölkerungsaustausch“, auch „Großer Austausch“, „Umvolkung“ oder „Ersetzungsmigration“ genannt. Diese ideologisch-inhaltliche Positionierung des IfS geht oftmals einher mit Äußerungen, wonach (zumeist nichteuropäischen) Migrantinnen und Migranten, Flüchtlingen, Asylsuchenden und teilweise auch Menschen muslimischen Glaubens pauschal unterstellt wird, die öffentliche Sicherheit und den „Erhalt“ des ethnisch definierten Volkes zu gefährden. Zudem lassen sich Verstöße gegen das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip feststellen. 

Die Einordnung einer Organisation als gesicherte extremistische Bestrebung durch das BfV erfolgt auf der Basis einschlägiger fachrechtlicher Vorgaben und setzt zur Gewissheit verdichtete tatsächliche Anhaltspunkte für die Verfolgung verfassungsfeindlicher Bestrebungen voraus. In der in Bezug genommenen – und naturgemäß inhaltlich komprimierten – Pressemitteilung werden überblicksartig Positionen und Äußerungen des IfS angeführt, die sich gegen die Menschenwürde nach Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) richten und damit verfassungsfeindliche Bestrebungen belegen. 

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat ausgeführt, dass das Grundgesetz einen ausschließlich an ethnischen Kategorien orientierten Begriff des Volkes nicht kenne und für die Zugehörigkeit zum deutschen Volk und den daraus sich ergebenden staatsbürgerlichen Status vielmehr die Staatsangehörigkeit von entscheidender Bedeutung sei. Wer die deutsche Staatsangehörigkeit erwerbe, sei aus Sicht der Verfassung unabhängig von seiner ethnischen Herkunft Teil des Volkes (BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017, Az. 2 BvB 1/13, juris Rn 690f.). 

Die auch dem IfS zugeschriebenen Vorstellungen des Ethnopluralismus, deren zentrale Prämisse der Erhalt des deutschen Volkes in seiner ethno-kulturellen Identität ist, gehen einher mit Forderungen nach einer räumlichen und kulturellen Trennung des als bedrohlich empfundenen ethnisch Fremden bzw. der Zuerkennung eines minderen Status lediglich als Staats-, nicht aber als ethnische Volkszugehörige.

Dies verletzt die Menschenwürdegarantie nach Artikel 1 Absatz 1 GG, der die prinzipielle Gleichheit aller Menschen ungeachtet aller tatsächlich bestehenden Unterschiede umfasst (OVG Berlin-Brandenburg, NVwZ-RR 2021, 1002, 1003f.). Gleichermaßen gilt dies beispielsweise für Agitationen unter dem Schlagwort der „Umvolkung“, mit denen Asylbewerbern und Migranten ihre Menschenwürde abgesprochen wird (BVerfG, a.a.O., Rn 720f. – juris). 

Die obigen Ausführungen stehen nicht im Widerspruch zu § 6 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG). Die Vorschrift ist vor dem Hintergrund von Artikel 116 Absatz 1 GG zu sehen, dem zufolge Deutscher im Sinne des Grundgesetzes vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelungen ist, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat. In diesem Sinne werden in § 6 BVFG Kriterien für die Bestimmung der deutschen Volkszugehörigkeit von Flüchtlingen oder Vertriebenen im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 GG benannt. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass die damit einhergehende Erweiterung der Eigenschaft als Deutscher auf die sogenannten Statusdeutschen nicht dazu führt, dass der Volksbegriff des Grundgesetzes sich vor allem oder auch nur überwiegend nach ethnischen Zuordnungen bestimmt. Vielmehr erhält Artikel 116 GG als Kriegsfolgenrecht erst dadurch Sinn, dass der Träger der deutschen Staatsgewalt im Ausgangspunkt durch die Gesamtheit der deutschen Staatsangehörigen zu definieren ist (BVerfG, a.a.O., Rn 693 – juris). Es handelt sich um eine den Besonderheiten der Nachkriegszeit geschuldete Übergangsbestimmung (BVerfG, Urteil vom 31. Oktober 1990, Az 2 BvF 2/89, 2 BvF 6/89, Rn 55 – juris; Sachs/Kokott, 9. Aufl. 2021, GG Art. 116 Rn. 1). Anders als durch das Konzept des Ethnopluralismus propagiert, wird in Artikel 116 Absatz 1 GG keine Hierarchiebildung zwischen Deutschen mit deutscher Staatsangehörigkeit und sogenannten Statusdeutschen vorgenommen. 

Auch aus Regelungen in Landesverfassungen, die dem Schutz ethnischer Minderheiten dienen, folgt nicht, dass das Staatsvolk nach ethnischen Grundsätzen zu bestimmen wäre. Wie das Verwaltungsgericht (VG) Berlin (1. Kammer) in seinem Endurteil vom 12. November 2020 (VG 1 K 606.17, Rn. 41 – juris) festgestellt hat, sind nationale Minderheiten dadurch gekennzeichnet, dass sie die deutsche Staatsangehörigkeit mit fremder Volkszugehörigkeit verbinden. Personen deutscher Volkszugehörigkeit gehören damit, wie das VG Berlin ausführt, weder zu einer nationalen Minderheit (OVG Schleswig, Beschluss vom 25. September 2002 – 2 K 2/01, Rn. 37 – juris) noch können aus der einzigartigen Sonderstellung der nationalen Minderheiten generelle Rückschlüsse auf den Volksbegriff des Grundgesetzes gezogen werden.