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Antwort auf das PAV!

Matthias Helferich, Mitglied des Bundestags

25.06.2024

Der Landesvorstand unter Dr. Martin Vincentz hat auf Bestreben von Prof. Dr. Hans Neuhoff meinen Parteiausschluss beantragt. Das Verfahren liegt nun beim Landesschiedsgericht. Während die Anschuldigungen gegen mich bereits durch die Presse gingen, hatte ich bisher keine Gelegenheit, mich zu verteidigen. Das habe ich nun mit einem Schreiben an das Landesschiedsgericht nachgeholt und die Anschuldigungen gegen mich entkräftet:

In der Sache AfD NRW ./. Helferich 

wird beantragt, 

  • 1. den Antrag auf Ausschluss aus der Partei abzulehnen. 
  • 2. dem Antragsgegner seine Mitgliedsrechte bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens vollumfänglich zurückzugewähren. 

Zum Sachverhalt wird folgendermaßen Stellung genommen: 

I. Einschränkung der innerparteilichen Meinungsbildung und Demokratie – Verstoß gegen § 7 Abs. 6 S. 3 BS 

Nach § 7 Abs. 6 S. 3 BS dürfen Ordnungsmaßnahmen nicht zum Zweck einer Einschränkung der innerparteilichen Meinungsbildung und Demokratie ergriffen werden. 

Gegen diesen Grundsatz hat der Antragsteller verstoßen. Die beantragte Ordnungsmaßnahme dient dem Antragsteller allein zur Einschränkung der innerparteilichen Meinungsbildung und Demokratie. 

Bereits nach der Wahl des Antragsgegners in den Landesvorstand der AfD NRW ließen Parteimitglieder aus dem Umfeld des Antragstellers verkünden, dass man den Antragsgegner nach seiner erfolgreichen Wahl in den Landesvorstand mit rund 55 % aus eben jenem Landesvorstand mittels einer Ordnungsmaßnahme entfernen lassen wolle. 

Als dem Landessprecher Dr. Martin Vincentz vor wenigen Wochen bei einem Koordinationstreffen im Vorfeld des Bundesparteitages in Lippstadt von mehreren Vertretern verschiedener Landesverbände vorgetragen wurde, dass man den Antragsgegner als Mitglied des Bundesvorstands wünsche, griff dieser womöglich zur vorliegenden Maßnahme, um eine Kandidatur des Antragstellers auf dem bevorstehenden Bundesparteitag mittels Mitgliedsrechteentzug zu verhindern.  

Zudem thematisierte der Antragsgegner im Landesvorstand immer wieder Missstände, die der Antragsteller nicht zu beseitigen beabsichtigte. So kritisierte der Antragsgegner die Kooperation des Antragstellers mit dem (zumindest ehemaligen) Bandido Tobias Laue als Sicherheitsdienstleister für Parteiveranstaltungen sowie die Co-Finanzierung des Neujahrsempfangs mit Dr. Alice Weidel in Duisburg durch den bekannten V-Mann Dr. Robert Nagels, der bereits früher im rechtsextremen Spektrum von geheimdienstlicher Seite eingesetzt wurde. Beide Sachverhalte gab der Antragsgegner zu Protokoll der Landesvorstandssitzung. 

Der Antragsteller missbraucht das Parteiordnungsrecht, um einen innerparteilichen Gegner mittels einer Ordnungsmaßnahme vom innerparteilichen Wettbewerb auszuschließen sowie die demokratische Entscheidung des Landesparteitages für den Antragsgegner „rückgängig“ zu machen. 

Der Antragsteller verstößt wissentlich gegen § 7 Abs. 6 S. 3 BS. 

II. Voraussetzungen für ein Parteiausschluss gem. § 7 Abs. 5 S. 1 BS liegen nicht vor 

Nach § 7 Abs. 5 S. 1 kann der zuständige Vorstand gegen ein Mitglied ein Parteiausschlussverfahren beantragen, wenn das Mitglied vorsätzlich gegen die Satzung oder erheblich gegen die Grundsätze oder Ordnung der Partei verstößt und (kumulativ) der Partei hierdurch einen schweren Schaden zufügt. 

1 – Kein Schadensfall für die Partei 

Dem Antragsgegner wäre ein behaupteter Schadenseintritt für die Partei bereits nicht zuzurechnen. Die streitgegenständlichen Posts wurden selbst von dem politischen Gegner – unter dessen ständiger Beobachtung der Antragsgegner steht – nicht beanstandet. Erst die lancierte Veröffentlichung des Antrags auf Parteiausschluss in etablierten Medien sorgte für den behaupteten Schadenseintritt. Diese Veröffentlichung hat nicht der Antragsgegner vorgenommen. Es widerspricht jeder Lebenswirklichkeit, dass der Antragsgegner den PAV-Antrag selbst an etablierte Medien übergab, da insbesondere durch die einseitige Übernahme der Vorwürfe des Antragstellers der Antragsgegner als Person des öffentlichen Lebens selbst Schaden nahm. 

2 – Vermeintliche Tathandlungen 

Doch auch die unterstellten Tathandlungen, die den vermeintlichen Schadenseintritt nach Ansicht des Antragstellers herbeiführten, rechtfertigen weder den Parteiausschluss noch den Entzug der Mitgliedsrechte. 

a) Post vom 19.12.2023 auf X (vormals Twitter) 

Der streitgegenständliche Post auf der Plattform X (vormals Twitter) vom 19.12.2023 behandelt eine Kritik an der Entscheidung des Bundesvorstandes, die patriotisch-aktivistische Jugendgruppe „Revolte Rheinland
“ aus dem Raum Koblenz auf die Unvereinbarkeitsliste zu setzen. Lagerübergreifend gibt es in der Partei Kritik am System der Unvereinbarkeitsliste, da inzwischen auch die ostdeutschen Landesverbände (Sachsen, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg) sowie die Junge Alternative Deutschlands vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft wurden. Folglich müsste die AfD zahlreiche eigene Parteigliederungen selbst auf die Unvereinbarkeitsliste setzen. Diese Systematik wurde vom Antragsgegner kritisiert.

Darüber hinaus trägt der Antragsteller über mehrere Seiten vor, die Äußerungen der JA-Mitglieder Assion, Hartwig und Sievers seien dem Antragsgegner zuzurechnen – der Partei sei ein Schaden durch die Äußerungen dieser Mitglieder entstanden. 

Der Antragsteller scheint in seinem Schriftsatz eine Zurechnung der Äußerungen der JA-Mitglieder über die Grundsätze der „mittelbaren Täterschaft“ nahezulegen. Eine Zurechnung nach diesen Grundsätzen würde jedoch ein Handlungsdefizit bzw. einen „Strafbarkeitsmangel“ bei den Vordermännern (bzw. den JA-Mitgliedern) voraussetzten. Der Antragssteller hat gegen die JA-Mitglieder eigenständige Parteiausschlussverfahren bei dem Landesschiedsgericht beantragt. Damit hat er selbst zum Ausdruck gebracht, dass auch er davon ausgeht, dass diese Mitglieder freiverantwortlich – und nicht durch den Antragsgegner fremdgesteuert – gehandelt haben. 

Die Äußerungen der JA-Mitglieder Assion, Hartwig und Sievers aus einem Streitgespräch auf der Platform X (vormals Twitter) können dem Antragsgegner jedenfalls unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zugerechnet werden. Die für eine solche objektive Zurechnung notwendigen Voraussetzungen hat der Antragsteller nicht vorgetragen; sie werden diesseits auch vorsorglich bestritten. 

Richtig ist, dass der Antragsgegner seit dem Jahr 2018 kein Amt mehr in der Jungen Alternative bekleidet hat. Im Gegenteil: Mit Erreichen des 36. Lebensjahres am 14.10.2024 scheidet der Antragsgegner aus der Jungen Alternative aus. 

Zwar ist zutreffend, dass der Antragsgegner die Jugendorganisation sowie die Organisation für Russlanddeutsche stets politisch gefördert hat. Hieraus eine Art „mittelbare Täterschaft“ oder sonstige Ingerenz-Stellung in Form einer Position als „Lehrer“ oder „Präzeptor“ herbeizuschreiben, entspringt wohl eher dem Belastungsdruck des Antragsstellers – eine äußerungsrechtliche Zurechnung ergibt sich daraus in keinem Fall. 

Der Antragsgegner war zum Zeitpunkt des Streitgesprächs zwischen den genannten JA-Mitgliedern und der inzwischen von der AfD Niedersachsen abgelehnten „Internet-Bloggerin“ Ronai Chaker, die im Netz Anti-Abschiebetipps gab, kein Mitglied des Landesvorstandes der AfD NRW. Folglich hatte er keine Kenntnis einzelner Äußerungen oder Dispute. Der Antragsgegner erhielt lediglich Kenntnis von Ordnungsmaßnahmen gegen die besagten JA-Mitglieder im Kontext des „Abschiebestopps von Jesiden“.

Dieses wurde im gleichen Zeitraum im Deutschen Bundestag oder verschiedenen Landtagen diskutiert und war in der Partei hochumstritten, da sich auch Kräfte in der AfD für einen Abschiebestopp für die rund 100.000 ausreisepflichtigen Jesiden einsetzten, andere AfD-Funktionäre eine solche Forderung ablehnten (https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/nrw-jesiden-frauen-kinder-abschiebestopp-100.html vom 18.12.2023). 

Mit keinem Wort forderte der Antragsgegner die Abschiebung deutscher Staatsbürger mit Migrationshintergrund. Dies lässt sich auch nicht in das streitgegenständliche Posting hineininterpretieren. Eine solche Interpretation wäre schon im Hinblick auf Art. 5 I GG und den Grundsatz „in dubio pro libertate“ äußerungsrechtlich abzulehnen. Streitbare Äußerungen sind auch im Meinungsstrafrecht im Zweifel zu Gunsten des Beschuldigten auszulegen – im vorliegenden Fall ist es jedoch eindeutig: „Jesiden“ meint keine deutschen Staatsbürger mit jesidischem Migrationshintergrund. 

Folglich liegt kein Verstoß des Antragsgegners durch das Posting vom 19.12.2023 gegen die Erklärung zum Staatsvolk, das AfD-Grundsatzprogramm und erst recht nicht das Grundgesetz vor. Die Forderung nach der Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer ist programmatische DNA der AfD. 

b) „Remigration“ 

Der Antragsteller führt in seiner Antragsschrift richtig aus, dass der Begriff der Remigration von der AfD in ihren Programmen selbst verwendet wird.
Er schreibt: 

Die AfD verwendet den Ausdruck Remigration an zwei Stellen: (1) Programm für die Wahl zum 20. Deutschen Bundestag, (2) Europawahlprogramm 2024“ (siehe Schriftsatz des Antragstellers, S. 11). 

Wenn der Antragsteller allerdings behauptet, der Antragsgegner trete für die „pauschale Außerlandesbringung ethnisch-biologisch definierter Gruppen ein“ (S. 12), ist dies grob falsch und verleumderisch. Der Antragsgegner behält sich rechtliche Schritte gegen den Antragsteller wegen dieser an die Medien lancierten Äußerungen vor. 

Der Antragsgegner erklärte im Interview mit SPIEGEL TV (https://www.youtube.com/watch?v=72uPLgSZDcA), dass pauschale Ausbürgerungen absurd wären, da die AfD in ihren Reihen selbst zahlreiche geschätzte Funktionäre mit Migrationshintergrund habe.
Im Interview mit der BBC (https://www.youtube.com/watch?v=72uPLgSZDcA) erläuterte der Antragsgegner seinen Remigrationsbegriff in all seinen Facetten und erklärte deutlich, dass deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund hiervon ausdrücklich nicht betroffen wären.
In einer Kachel-Serie auf Facebook erläuterte der Antragsgegner, warum millionenfache Remigration rechtsstaatlich möglich ist (https://matthiashelferich.de/remigration/). Zudem nahm er in zahlreichen Stellungnahmen und Postings positiven Bezug auf Deutsche mit Migrationshintergrund, die die Remigrationskampagne unterstützen.

Darüber hinaus ist der Antragsgegner mit seiner Forderung nach „millionenfacher Remigration“ auch nicht allein: Zum Beispiel René Springer, der Landesvorsitzende der AfD Brandenburg und sozialpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Deutschen Bundestag, forderte dies im RBB ebenfalls. Auch der stellv. Fraktionsvorsitzende der AfD im Deutschen Bundestag, Sebastian Münzenmeier, forderte zum Abschluss einer Rede im Plenum die „millionenfache Remigration“.
In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass sich aktuell allein 1,1 Millionen ukrainische Kriegsflüchtlinge in der Bundesrepublik aufhalten, die hoffentlich nach dem russischen Angriff in ihre Heimat zurückkehren können. Hinzu kommen rund 250.000 ausreisepflichtige Ausländer sowie hunderttausende subsidiär Schutzberechtigte aus dem Irak, Syrien und Afghanistan, die längst in ihre Heimat hätten zurückkehren können. Hinzukommen 200.000 schwerstkriminelle Ausländer. 

Anders, als der Antragsteller behauptet, vertritt der Antragsgegner keinen „ethnisch-biologistischen Volksbegriff“.
Das Eintreten für einen „ethnisch-biologistischen Volksbegriff“ trifft wohl eher Teile des Antragstellers. So sprach das Landesvorstandsmitglied Dr. Christian Blex einem Deutschen mit afrikanischem Migrationshintergrund in einem öffentlichen Beitrag ab, aufgrund seiner Hautfarbe „Mr. Schleswig Holstein“ zu sein (https://www.merkur.de/politik/warendorfer-afd-politiker-hetzt-gegen-schwarzen-schoenheitskoenig-zr-10554963.html). 

Tatsächlich hat der Antragsgegner in zahlreichen Stellungnahmen, Bundestagsreden, und Online-Beiträgen überdeutlich gemacht, dass für ihn auch Deutsche mit Migrationshintergrund zu vollwertigen Mitgliedern des Staatsvolkes und zu geschätzten Parteimitgliedern und Wählern zählen. Ebenfalls wird deutlich, dass der Antragsgegner ein rechtsstaatliches und humanes Remigrationskonzept verfolgt (https://www.youtube.com/watch?v=l5hZwk0gCuc), welches freiwillige Rückkehrhilfen als zentrale Säule vorsieht. 

Beispielhaft hierfür seien genannt: 

In der 70. Sitzung des deutschen Bundestages am Donnerstag, den 24. November 2022, sagte der Antragsgegner laut Protokoll wörtlich: 

„Das einst sichere Deutschland verblasst. Es bleiben fragmentierte Parallel- und Gegengesellschaften, die an französische Banlieues oder schwedische Stadtteile erinnern. Längst sehnen sich auch all jene Einwanderer nach dem alten Deutschland zurück, was sie als neue Heimat kennenlernen durften.“ 

In der 141. Sitzung am Donnerstag, den 30. November 2023, sagte der Antragsgegner laut Protokoll wörtlich: 

„Wer es gut mit Deutschland meint, fordert Remigration, millionenfache Remigration, ein Bündel von politischen Maßnahmen, welche friedlich und rechtsstaatlich die Demografie harmonisieren (…)“ 

In der 147. Sitzung am Donnerstag, den 18. Januar 2024, sagte der Antragsgegner laut Protokoll wörtlich: 

„Remigration bedroht keinen Einheimischen mit Migrationshintergrund. Sie sichert gerade das Recht all jener Staatsbürger mit und ohne Migrationshintergrund, die Deutschland als Land der Deutschen erhalten wollen.“ 

In der 162. Sitzung am Mittwoch, den 10. April 2024, sagte der Antragsgegner laut Protokoll wörtlich: 

Deutsche mit und ohne Migrationshintergrund kennen die Antwort auf diese PKS: Remigration, millionenfache Remigration. 

Der Antragssteller unterlässt es, die von ihm angeführten Belege in eine Gesamtschau des politischen Wirkens und des Sprachhandelns des Antragsgegners zu stellen und zeichnet so ein Zerrbild seiner Positionen und seiner Person. 

Der Antragsteller scheint von einem derartigen Überführungseifer getrieben zu sein, dass er dem Antragsgegner sogar einen offiziellen Aufkleber der AfD Baden-Württemberg (S.12) zuschreibt, den ein Dritter auf seinem Social-Media-Kanal gepostet hat. Bezugspunkt ist für ihn abstruser Weise die Wahl des Flugzeuges in der Grafik. 

Insofern ist auch dieser Vorwurf des Antragstellers widerlegt. Seine Argumentation ist unschlüssig und unsubstantiiert.

c) Karin-Ritter-Duftbaum (Rückspiegelanhänger) 

Der Antragsteller stützt seinen Antrag zuletzt auf eine Instagram Story. Diese zeigt die Fotografie eines frei verkäuflichen Duftbaums, der die Medien-Figur „Karin Ritter“ und ein ihr zugeschriebenes Zitat („Raus mit die Viecher (sic!)“) zeigt. Dazu schreibt der Antragsgegner: „Super. #remigration“. Hierbei behauptet der Antragsteller, freilich ohne Nachweis des Datums und der Zeitangabe, letzterer Post stamme vom 10.05.2024, was vorsorglich bestritten wird.

Der Antragsteller hat den Sinn und die Bedeutung des streitgegenständlichen Instagram Posts völlig verkannt. Er hat eine Bedeutung zugrunde gelegt, ohne vorher andere mögliche Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen zu haben. Der Antragsgegner hat mit dem Instagram Post genau das Gegenteil dessen zum Ausdruck gebracht, was der Antragsteller dem Antragsgegner zu unterstellen versucht. Instagram zählt zu den beliebtesten Social-Media-Plattformen der letzten Jahre. Die Zielgruppe auf Instagram ist zwischen 18 und 35 Jahren alt (siehe Daten & Fakten zu Instagram, https://de.statista.com/themen/2506/instagram/). Die jugendkulturelle Zielgruppe von Instagram bzw. der maßgebliche Rezipient, an den sich der Post richtete, würde dem Post eine diametral andere Interpretation zugrunde legen als der Antragsteller. 

aa. Zur Auslegung und Interpretation von Meinungsäußerungen innerhalb von Parteien 

Bei der Interpretation von Meinungsäußerungen kann für die Bestimmung dessen, wie der Sinngehalt einer Äußerung zu interpretieren ist auch im Rahmen der Parteischiedsgerichtsbarkeit auf die „Soldaten sind Mörder“-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zurückgegriffen werden (s. Roßner, Parteiausschluss, Parteiordnungsmaßnahmen und innerparteiliche Demokratie, S. 149 f).
Nach dieser Grundsatzentscheidung verstoßen Urteile, die den Sinn der umstrittenen Äußerung verfehlen und darauf ihre rechtliche Würdigung stützen, gegen das Grundrecht der Meinungsfreiheit. Dasselbe gilt, wenn ein Gericht bei mehrdeutigen Äußerungen eine zur Verurteilung führende Bedeutung zugrunde legt, ohne vorher die anderen möglichen Deutungen mit schlüssigen Gründen ausgeschlossen zu haben (siehe.; Beschl. d. BVerfG vom 25.08.1994 1 BVerfG 1423/92, NJW 1994, 2943 f.) In diesem Zusammenhang hat das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich festgestellt,

dass „auch bedacht werden [muss], dass manche Worte oder Begriffe in unterschiedlichen Kommunikationszusammenhängen verschiedene Bedeutungen haben können.“ (siehe.; Beschl. d. BVerfG vom 25.08.1994 1 BVerfG 1423/92, NJW 1994, 2943 f.) 

Die hiernach zu beachtenden Grundsätze der „Soldaten sind Mörder“-Rechtsprechung lassen sich etwa eindrucksvoll illustrieren anhand der erst eine Woche alten Entscheidung der Staatsanwaltschaft Aachen vom 10.06.2024 zu dem Antifa-Aufruf „AfDler töten. 

Bei dieser Entscheidung kam die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis, dass ein von Antifa-Mitgliedern bei einer Demonstration mitgeführtes Transparent mit der Aufschrift „AfDler töten.“ kein strafbares Verhalten darstelle, weshalb das Verfahren bereits einzustellen und noch nicht mal eine Anklage zu erheben sei. 

Mitentscheidend sei, dass hinter den Worten „AfDler töten“ ein Punkt und kein Ausrufezeichen stehe. Auf diese Weise könne man die Worte auch diametral anders – nämlich als Vorwurf an die Adresse der AfD lesen im Sinne von: „Die Politik der AfD tötet Menschen“. Denn „nach der etablierten Rechtsprechung sei bei mehreren in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten einer Äußerung stets die günstigste Variante zugrunde zu legen“. (s. Die Zeit, vom 10.06.2024). 

Die Grundsätze der „Soldaten sind Mörder“ oder der aktuellen „AfDler töten.“ Entscheidung sind auch bei der Interpretation des streitgegenständlichen Posts zu berücksichtigen. 

bb. Sprache, Bilder, Memes und angemessene Interpretationstechniken 

Die vom Antragsgegner, vermeintlich am 10.05.2024, auf der Plattform Instagram publizierte und kommentierte Fotografie zeigt einen Rückspiegelanhänger in einem unbekannten Personenkraftwagen, der die Wesensmerkmale eines sogenannten Memes aufweist. 

Ein Weblog der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg schreibt sinngemäß zur Memekultur: 

Memes sind ein Phänomen der Internetkultur, das in den Sphären der Sozialen Medien allgegenwärtig, seinem Wesen nach humoristisch, ironisch, zuspitzend oder sarkastisch zu verstehen, sowie durch eine Bi- oder Multimodalität, also eine Kombination mehrerer Zeichensysteme (Text, Bild, etc.), geprägt ist. Ein Meme ist weiter eine kulturelle Idee von einem Sachverhalt oder einem Zusammenhang, die regelmäßig in Form eines Witzes kommunikativ codiert wird und als solcher durch die Rezipienten zu decodieren ist. Sender und Empfänger von Memes müssen für den erfolgreichen Vorgang des Decodierens von Memes regelmäßig über ein geteiltes kulturelles Weltwissen verfügen, dessen Teilinhalte über diese Text-Bild-Zusammenstellungen in eigentümlicher Weise artikuliert werden. Die verwendeten Text- und Bildzeichen, die durch unterschiedliche Sinnesmodalitäten wahrgenommen werden, verleihen dem entstehenden Meme eine neue humoristische Bedeutung, die über die Bedeutung seiner Bestandteile hinausgeht. (Vgl. https://blogs.urz.uni-halle.de/memekultur/.)

Franziska Große wählt in ihrer Publikation „Bild-Linguistik. Grundbegriffe und Methoden der linguistischen Bildanalyse in Text- und Diskursumgebungen“ für bimodale Zusammenstellungen den Terminus der Sprache-Bild-Komplexe (Vgl. exemplarisch hierfür: Große, Franziska (2011): Bild-Linguistik. Grundbegriffe und Methoden der linguistischen Bildanalyse in Text- und Diskursumgebungen. Frankfurt am Main. Germanistische Arbeiten zu Sprache und Kulturgeschichte. Band 50, S. 23f.). Ein Blick in die Fachliteratur der Medien-, Bildlinguistik und Medienkommunikation zeigt einmal mehr auf, dass Kommunikation stets „über mehrere Zeichensysteme“ (Klemm, Michael/Stöckl, Hartmut (2011): „Bildlinguistik“ – Standortbestimmung, Überblick, Forschungsdesiderate. In: Diekmannshenke, Hajo/Klemm, Michael/Stöckl, Hartmut [Hrsg.]: Bildlinguistik. Theorien – Methoden – Fallbeispiele. Berlin. Philologische Studien und Quellen. Heft 228, S. 7-21, hier: S. 10.) hinweg verläuft, und eine besondere „Signifikanz des Bildes in der Kommunikation“ (Stöckl, Hartmut (2004): Die Sprache im Bild – Das Bild in der Sprache. Zur Verknüpfung von Sprache und Bild im massenmedialen Text. Konzepte, Theorien, Analysemethoden. Berlin, New York. Linguistik – Impulse & Tendenzen. Band 3, S. 2.) zu konstatieren ist. Beide Zeichensysteme (Sprache und Bilder) sind hinsichtlich ihrer Interpretierbarkeit dabei wechselseitig aufeinander angewiesen (Vgl. Burger, Harald (2005): Mediensprache. Eine Einführung in die Sprache und Kommunikationsformen der Massenmedien. 3. Auflage. Berlin, New York, S. 66f.), was sie zu einer „Modifikation und qualitative [n, d. Verf.] Erweiterung des kommunikativen Handlungsspielraums“ (FN 2, S. 7f.) werden lässt.

Große fasst dies mit folgenden Worten zusammen: 

Unser Verständnis der sprachlichen Handlungen ist dabei auf unser Verständnis der bildlichen Handlungen angewiesen und umgekehrt. Eine Sprachtheorie, die dieser Modifikation des sprachlichen Handlungsspielraums durch Bilder gerecht werden will, muss daher ein integratives Analysemodell für die Untersuchung von sprachlichen und bildlichen Handlungen entwickeln, das der Tatsache Rechnung trägt, dass Sprache und Bild in ihrer Interaktion sich als komplementäre Kodierungsformen erweisen, die sich wechselseitig ergänzen und dabei zu neuen Bedeutungsinhalten steigern.“ (Ebd.). 

Für die Analyse von Text-Bild-Komplexen in medialem Umfeld sind weiterhin die reziproken Einflüsse von Sprache und Medium von Bedeutung, also etwa der Einfluss technisch-institutioneller Rahmenbedingungen auf den Medieninhalt, oder andersherum der Einfluss von Sprachgebrauch auf die Produktion von Medien und ihren Sinn (Vgl. Perrin, Daniel (2006): Medienlinguistik. Konstanz; Androutsopoulos, Jannis (2003): Medienlinguistik. Online im Internet: URL: https://jannisandroutsopoulos.net/wp-content/uploads/2009/09/medienlinguistik.pdf).

cc. Inhalt und Sachzusammenhang der, unterstellt am 10. Mai 2024, auf der Plattform Instagram publizierten und kommentierten Fotografie 

Karin Ritter war bis zu ihrem Tod im Jahr 2021 das Oberhaupt der vollumfänglich gescheiterten Familie Ritter aus Köthen, die das Reportage-Magazin Stern TV über 25 Jahre begleitet hat. Das Magazin hielt den Alkohol-, Drogen- und Tabakmissbrauch, Obdachlosigkeit, Gewalt, Gefängnistrafen, und einen vulgären und diffusen Rechtsradikalismus der Familie am Rand der Gesellschaft videografisch fest (Vgl. https://www.welt.de/vermischtes/article225446447/Karin-Ritter-aus-Koethen-ist-tot-bekannt-wurde-sie-durch-Stern-TV.html.). Dabei wurde Karin Ritter sowie ihre Familie stereotypisch als angehörige des sog. „White-Trashs“ dargestellt und dem öffentlichen Voyeurismus preisgegeben. Der Begriff des White Trash ist eine abwertende Bezeichnung für Mitglieder der weißen Unterschicht und gilt als verunglimpfende, diskriminierende Bezeichnung und wird als Schimpfwort benutzt.

„Karin Ritter“ ist damit losgelöst von der Person Karin Ritter zu einer Kunstfigur bzw. Projektionsfläche geworden, welche sinnbildlich für alles steht, was primitiv, vulgär und abzulehnen ist und was auf der Gefühlsebene reflexartig Ekel und Abwehr auslöst. In der Bildsprache der Memes wird „Karin Ritter“ in breiten Teilen der Jugendkultur demensprechend auch als Ausdruck der Ablehnung von Inhalten genutzt, die eben mit jenem Meme „Karin Ritter“ verbunden werden. 

Dass die Kunstfigur „Karin Ritter“ tatsächlich in der Jugendkultur weit verbreitet ist, lässt sich bereits anhand einer einfachen Internetrecherche erkennen.
Unter dem Suchbegriff „Karin Ritter“ ergeben sich auf Anhieb hunderte Suchergebnisse, die Memes mit Darstellungen und Aussagen der Familie Ritter aufgreifen und popkulturell verarbeiten, überspitzen und Teil einer Internetkultur werden lassen. Produktvarianten des vom Antragsgegner fotografierten und kommentierten Rückspiegelanhängers respektive Duftbaumes sind sogar beim internationalen Großhändler Amazon (Vgl. https://www.amazon.de/Ritter-Duftbaum-Duftspender-freshener-Duftanh%C3%A4nger/dp/B0BYPG4FLC.) freiverkäuflich und gelegentlich im Straßenverkehr zu sehen (https://www.amazon.de/Duftbaum-Lufterfrischer-Freshener-Duftanh%C3%A4nger-Duftspender/dp/B0CNM3K4XT/ref=asc_df_B0CNM3K4XT?tag=bingshoppin0b-21&linkCode=df0&hvadid=80470697145044&hvnetw=o&hvqmt=e&hvbmt=be&hvdev=c&hvlocint=&hvlocphy=&hvtargid=pla-4584070168723605&psc=1&msclkid=6e8741108ac71f98e4aa277cad5fa7d6).

Die unzähligen Varianten der Ritter-Memes verarbeiten ironisch, zugespitzt und sarkastisch, typisch für die Internet-Kultur, die tragikomische Lebensgeschichte der Ritters, sowie den massenmedialen Umgang der Bundesrepublik mit dem Stereotyp des „Neo-Nazis der Unterschicht“, der das Diametrale und Böse darstellt und zugleich Teil der eigenen Erzählung und Popkultur ist. 

Spiegel Online hält schließlich zum Umgang in Medien, Internet und Popkultur mit der Familie Ritter fest, 

dass um die Familie Ritter seit Jahren ein abstruser Internet-Kult herrscht, der aus der ständigen Boulevard-Berichterstattung entstanden ist. Und zwar nicht wegen ihrer rechten Gesinnung, sondern wegen einzelner Szenen und Sprüche aus den vielen Reportagen, die viele offenbar lustig finden und zu Memes verarbeiten.“ (https://www.spiegel.de/netzwelt/web/gurkensohn-und-familie-ritter-was-macht-der-youtuber-bei-der-nazi-familie-in-koethen-a-ab453ac8-e478-487b-ae94-26b978bbbc5b.). 

dd. Schwerwiegende Mängel in der Interpretation des Beitrages durch den Antragssteller 

Der Antragssteller beschränkt sich in seinen Ausführungen auf den Seiten 12f. und 16f. nun allerdings ausschließlich auf einen Deutungsversuch der sprachlichen Ebene, ohne dabei den memehaften Charakter des Rückspiegelanhängers/Duftbaumes mit dem Bild von Karin Ritter und das im Meme transportierte geteilte Weltwissen zu erkennen, oder auf das intersemiotische Zusammenspiel von Bild und Sprache einzugehen, was den Antragssteller infolgedessen auch die sich daraus erschließenden neuen Bedeutungsinhalte verkennen lässt. Nur so kann er zu dem Schluss gelangen, der Antragsgegner würde ernstlich hier Personen mit Migrationshintergrund pauschal als „Viecher“ verächtlich machen und deren „Deportation“ fordern. 

Tatsächlicher Grund für den Post des Antragsgegners war allein, die perfide Art und Weise zu kritisieren, mit der die Medien diese Kunstfigur „Karin Ritter“ schufen, um berechtigte und legale Remigrationsforderungen nach bestehenden nationalen und internationalen Regelwerken in den Schmutz zu ziehen. 

Durch Schaffung dieser physisch wie charakterlich abstoßenden und gescheiterten Kunstfigur „Karin Ritter“ in den 2015er Jahren gelang es u.a. auch, Migrationskritik bzw. Remigrationsforderungen als gesellschaftlich unfein und geächtet zu brandmarken. Die erwartbare Antwort der Unperson Karin Ritter „Raus mit die Viecher“ auf die rhetorische und wohl kaum einer tatsächlichen Informationsgewinnung dienenden Frage der Stern Reporterin, was Karin Ritter zur Flüchtlingspolitik sage, zeigt deutlich, wie die Medien diese Aussage geradezu provoziert haben (https://www.youtube.com/watch?v=aoxqztoJ2kI). Metapolitisch sollte Migrationskritik dadurch außerhalb des für „anständige“ Bürger akzeptablen Denk-, Argumentations- und Debattenrahmens gestellt werden. 

Denn die Aufforderung zur Remigration ist nicht primitiv und vulgär. Sie wird auch nicht nur von Personen gefordert, die in ihrem Leben vollumfänglich gescheitert sind und die beim Normalbürger auf primitiver Gefühlsebene reflexartig Ekel und Abwehr auslösen.
Vielmehr ist Remigration, auch Rückführung oder Rückkehr, ein auf Europäischer Verwaltungsebene bzw. in Österreich spätestens seit dem Jahr 2006 gängiger Begriff und avisiertes Verwaltungshandeln wie dieses Dokument (als Anlage anbei) beispielhaft belegt (s. zum Begriff der Remigration oben unter Punkt 2. b). 

Die sprachliche Aussage „Raus mit die (sic!) Viecher“ erhält durch die Kombination mit dem Bild der medial kreierten „Karin Ritter“, die auf die bereits verstorbene Karin Ritter zurückgeht, eine völlig neue Bedeutung dadurch, als dass – setzt man bei dem Rezipienten ein geteiltes Wissen über den größeren popkulturellen Sachzusammenhang voraus – derartige Deutungen, wie sie der Antragsteller dem Antragsgegner zu unterstellen versucht, gerade abgelehnt werden.

Der streitgegenständliche Post meint also genau das Gegenteil dessen, was der Antragsteller dem Antragsgegner vorwirft. 

Mit der Wort-Bild-Komposition wird ersichtlich, dass es sich um ein mit den Regeln der deutschen Grammatik brechendes Zitat einer gesellschaftlich isolierten Frau der Unterschicht handelt, die Oberhaupt einer kriminellen und drogenabhängigen Familie gewesen ist. Des Weiteren sollten sich aus diesem Zugriff erschließen, dass die Familie Ritter zunächst durch die jahrzehntelange Begleitung durch ein Reportage-Magazin, und sodann durch die Weiterverwendung von Fotografien, Videografien, Zitaten und Kommentaren von beziehungsweise über Protagonisten der Familie Ritter im Social-Media-Raum zuvörderst in Form sarkastischer, schwarz-humoristischer und ironischer Memes bekannt geworden ist. 

Das publizierte Foto gibt einen Duftbaum wieder, der einem solchen Internet-Meme nachempfunden ist, und damit die komplexe semiotisch-linguistische Struktur der Memekultur in die analoge Welt überführt. 

Der hier gewählte Interpretationszugriff sollte deutlich machen, dass der Antragsgegner als Rechtsanwalt und Akademiker sich wohl kaum ernstlich für ein argumentum ad verecundiam auf eine Frau der Unterschicht bezieht, deren Leben sich zwischen Drogenmissbrauch, Gewalt, Kriminalität und Prominenz aufgrund eines medialen Elendsvoyeurismus bewegte. 

Der Antragsgegner macht sich die Aussage des Duftbaum-Memes eben nicht zu eigen. Er verhöhnt wohl eher auf sarkastische Art und Weise die Aussage der Frau Ritter und setzt sie ironisch in den Kontext der Vorwürfe, die auch die AfD im Zuge der „Potsdam-Veröffentlichung“ trafen. 

Auf diesem Wege wird deutlich, dass es sich bei dem o.g. Beitrag um einen unernsten und schwarz-humoristischen Beitrag handelt, der eben dieses Phänomen kritisiert, dass Medien in der Lage sind, von ihnen unerwünschte Themen emotional negativ zu konnotieren und damit außerhalb des sagbaren Raumes zu stellen. Auf diesen Bedeutungsebenen bewegt sich der Beitrag. 

Auch die Fotografie des Duftbaums zeigt gegenteilig auf, dass der Antragsgegner selbstironisch die Vorwürfe, die die AfD und ihre legitime Remigrationsforderung treffen, aufgreift und sarkastisch verballhornt. 

Der Interpretationsversuch des Antragsstellers erweist sich daher als stark vereinfachend und scheitert fatal: Der Antragsteller hat in seiner Antragsschrift die Person „Karin Ritter“ mit keinem Wort erwähnt. Der Antragsteller hat die Person bzw. das jugendkulturelle Pop-Phänomen „Karin Ritter“ überhaupt nicht erkannt. Damit blieb bei dem Versuch des Antragstellers, die Wort-Bild-Komposition des streitgegenständlichen Posts zu interpretieren, eine – wenn nicht die maßgebliche – Deutungsebene unberücksichtigt. Die mangelnde Kenntnis des Antragstellers über den jugendlichen Empfängerhorizont des Rezipienten der Instagram-Story kann dem Antragsgegner nicht zu Last gelegt werden.

Auch die AfD-Landtagsfraktion NRW kritisiert den Umgang mit dem in der Kritik stehenden Gigi D’Agostino-Song „L’amour toujours“. Sven Tritschler (MdL), stellvertretender Fraktionsvorsitzender, postet auf der Plattform Instagram dieses Lied zu ausländerpolitischen Beiträgen. Man wird ihm wohl kaum deshalb unterstellen dürfen, sich die Forderung „Ausländer raus! Ausländer raus! Deutschland, den Deutschen! Ausländer raus!“ zu eigen zu machen. Hierbei handelt es sich um die Nutzung eines musikalischen Memes. 

Schlussendlich bleibt festzuhalten, dass der Antragsgegner lediglich einen Duftbaum fotografierte, der ein Meme einer bekannten TV-Persönlichkeit zeigte, welches die Ablehnung von Inhalten zum Ausdruck bringt. Er bediente sich dabei einer Bildsprache, die in Kreisen der Jugendkultur weit verbreitet ist und als bekannt vorausgesetzt wird. Den großen Erstwählerzuspruch bei Wählern zwischen 16-24 Jahren erreichte die AfD auch deshalb bei der Europawahl, weil sich Politiker wie Dr. Maximilian Krah (MdEP), Roger Beckamp (MdB) sowie der Antragsgegner einer Kommunikation bedienten, die das Internetkonsumverhalten und die Jugendkultur junger Menschen berührte. Sarkasmus und der selbstironische Umgang mit Angriffen auf die eigenen Forderungen gehören hierzu. Der Antragsgegner gesteht zu, dass sich diese Form der politischen Kommunikation älteren Wählerschichten – zu der auch der Antragsteller gehören mag – möglicherweise verschließt, sie aber denknotwendig ist, um die AfD auch bei jungen Wählern attraktiv zu machen. 

III. Voraussetzungen für einen sofortigen Entzug der Mitgliedsrechte (§ 7 Abs. 7 S. 1 BS) liegen nicht vor 

Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 7 Abs. 7 S. 1 BS liegen nicht vor. 

Nach § 7 Abs. 7 S. 1 BS kann der zuständige Landesvorstand den Antragsgegner nur dann bis zur Entscheidung des Schiedsgerichts in der Hauptsache von der Ausübung seiner Rechte ausschließen, wenn ein dringender und schwerwiegender Fall vorliegt, der zusätzlich dazu ein sofortiges Eingreifen erfordert (zu den Anforderungen, die an einen sofortigen Entzug der Mitgliedsrechte zu stellen sind, wird auf die beiliegenden Ausführungen des Bundesschiedsgerichts vom 21.06.2022 verwiesen). 

Weder die Tatbestandsmerkmale „dringend“ und „schwerwiegend“ (kumulativ) noch das zusätzliche Erfordernis der Eilbedürftigkeit liegen vor. 

Der Antragsteller bezieht seinen Vorwurf hauptsächlich auf einen streitgegenständlichen Post auf der Plattform X (vormals Twitter) im Dezember letzten Jahres, dem 19.12.2023 sowie die Instagram-Veröffentlichung der medialen Kunstfigur „Karin Ritter“ und das ihr zugeschriebene Zitat („Raus mit die Viecher (sic!)“). Hierbei behauptet der Antragsteller, freilich ohne Nachweis des Datums und der Zeitangabe, letzterer Post stamme vom 10.05.2024, was – wie gesagt – vorsorglich bestritten wird.
Der Post auf der Plattform X (vormals Twitter) im Dezember letzten Jahres, dem 19.12.2023, kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für die Begründung einer Eilbedürftigkeit in Ansatz gebracht werden. Der Antragsteller veröffentlichte hierzu bereits am 23.02.2024 ein vollständig abgefasstes bzw. fertiges scheinwissenschaftliches Rechtsgutachten in einer parteiöffentlichen Chatgruppe („AfD Bonn Mitgliederforum“). In diesem „Gutachten“ forderte der Antragsteller den Parteiausschluss des Antragsgegners (das „Gutachten“ ist als Anlage beigefügt). Der Antragssteller hatte also frühzeitig nicht nur Kenntnis von dem streitgegenständlichen Post, sondern hat diesen sogar frühzeitig bereits seiner rechtlichen Bewertung unterzogen. Dennoch hat der Antragsteller fünf Monate und zwei Wochen abgewartet, bis er den nun vorliegenden Antrag auf Parteiausschluss vom 29.05.2024 eingereicht hat. Das über mehr als fünf Monate andauernde Zuwarten steht im Widerspruch zu den Tatbestandsvoraussetzungen des sofortigen Entzugs der Mitgliedsrechte. Denn diese setzten bekanntlich voraus, dass ein sofortiges Eingreifen unmittelbar erforderlich ist und keinen weiteren Aufschub duldet. Wenn der Antragsteller tatsächlich der Meinung gewesen wäre, es läge ein eilbedürftiger Fall des § 7 Abs. 7 S. 1 BS vor, hätte der Antragsteller sofort tätig werden müssen, um den vermeintlichen Schaden von der Partei abzuwenden. Dies tat er aber nicht. Er muss sich den Grundsatz „venire contra factum propium“ vorhalten lassen. 

Das Zuwarten von fünf Monaten und zwei Wochen spricht im Gegenteil vielmehr dafür, dass der Antragsteller seinen Antrag auf Parteiausschluss nun allein deshalb jetzt noch schnell „auf den letzten Drücker“ einreichte, damit der Post vom 19.12.2023 überhaupt noch beanstandet werden kann und nicht wegen Verjährung von der absoluten Ausschlussfrist für ein Antrag auf Parteiausschluss (6 Monate ab Kenntnis (§ 5 Abs. 5 S. 2 BS)) erfasst wird. Hätte der Antragsteller seinen Antrag zwei Wochen später eingereicht, wäre der Vorwurf verfristet. 

Auch bezüglich des streitgegenständlichen „Karin-Ritter“-Posts, der angeblich vom 10.05.2024 stammen soll, besteht kein Handlungsbedarf, der ein sofortiges Eingreifen erfordert. Bei diesem Post handelte es sich um eine sogenannte „Instagram-Story“. Instagram-Stories zeichnen sich dadurch aus, dass sich diese nach 24 Stunden von selbst löschen und aus dem Instagram Profil, dem Feed und dem Direct-Postfach verschwinden (siehe Anleitung zu Instagram Stories auf https://about.instagram.com/de-de/features/stories#). Der streitgegenständliche Post war nur für eine kurze Zeit online und hat sich nach 24 Stunden von selbst gelöscht. Mittlerweile ist er nicht mehr im Internet. 

Darüber hinaus liegen auch bezüglich des „Karin-Ritter“-Posts sowie grundsätzlich, die für einen sofortigen Mitgliederrechteentzug notwendigen Tatbestandsvoraussetzungen „dringend“ und „schwerwiegend“ (kumulativ) sowie das zusätzliche Erfordernis der Eilbedürftigkeit nicht vor. 

Erforderlich hierfür wäre eine Wiederholungsgefahr bzw. die Gefahr, dass von dem Antragsgegner zukünftig fortlaufend Schadenseintritte oder eine Schadensvertiefung für die Partei zu erwarten wären, die ein Zuwarten unmöglich machen. 

Ein solcher Schadenseintritt ist vorliegend allerdings nicht zu erwarten. Es besteht nicht die Wiederholungsgefahr, dass Posts wie jene beiden, die nach der Ansicht des Antragstellers zu beanstanden sind, zukünftig von dem Antragsgegner veröffentlicht werden.

Der Antragsgegner ist seit Beginn der aktuellen Legislaturperiode, dem 26. September 2021, Mitglied des Deutschen Bundestages. Seitdem sind bis zum heutigen Tage – dem Tag des Abfassens dieses Schriftsatzes – 997 Tage vergangen. Der Antragsgegner postet selbst oder über seine Social-Media-Abteilung in viel Arbeit und Einsatz für die Partei täglich mindestens 4 Posts oder sonstige Inhalte (Redaktionelle Beiträge, Videos, Reels, Stories oder sonstige Publikationen) in den Sozialen Netzwerken (X (vormals Twitter), Facebook, Instagram, Tiktok, Youtube und Telegram) oder über seine eigene Website „www.matthiashelferich.de“. 

Überschlägig und sehr konservativ geschätzt wird der Antragsgegner weit über 4000 Postings und Publikationen in den sozialen Netzwerken, seit seinem Einzug in den Bundestag im September 2021, veröffentlicht haben – der Antragsteller zieht hiervon lediglich zwei heran. Eine notwendige Prognoseentscheidung lässt daher nur den Schluss zu, dass der Antragsgegner bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens keine Handlungen begehen wird, die der Antragssteller beanstanden kann. 

Auch abseits der Social-Media-Präsenz wurde der Einsatz und die öffentliche Arbeit des Antragsgegners für die Partei niemals von dem Antragssteller beanstandet. So hielt der Antragsgegner in der aktuellen Legislaturperiode des Deutschen Bundestages als fraktionsloser AfD-Abgeordneter rund 60 Reden im Plenum – folglich mitunter die meisten Reden aller AfD-Abgeordneten in dieser Legislatur. Auch Unzählige Wahlkampfauftritte, Reden und Stammtischvorträge wurden von dem Antragsteller nicht beanstandet. 

Eine Wiederholungsgefahr ist daher fernliegend und abzulehnen und wurde schlussendlich auch nicht substantiiert von dem Antragssteller vorgetragen. Ein sofortiger Entzug der Mitgliedsrechte wäre aus den vorstehenden Gründen im Übrigen auch nicht verhältnismäßig. 

Mithin ist ein Fall des § 7 Abs. 7 S. 1 BS nicht gegeben und die Eilmaßnahme durch das Schiedsgericht aufzuheben. 

IV. Zusammenfassung

  1. Der sofortige Entzug der Mitgliedsrechte ist unverhältnismäßig und willkürlich. Er dient dem Ziel, den Antragsgegner von einer Kandidatur beim Bundesparteitag abzuhalten. Bereits das Bundesschiedsgericht kritisierte den leichtfertigen Umgang mit derartigen Ordnungsmaßnahmen, um innerparteiliche Gegner auf Zeit vom innerparteilichen Wettbewerb auszuschließen. Dieser Hinweis des Bundesschiedsgerichts ist dem Landesschiedsgericht NRW bekannt. Die Tatbestandsmerkmale des § 7 Abs. 7 BS wurden vom Antragsteller unzureichend vorgetragen.

  2. Der Antragsteller versucht, dem Antragsgegner vermeintliche Aussagen von Dritten zuzuschreiben. Hierfür fehlt es an einer juristischen Zurechnung. Der Antragsteller versucht eine Gesamtverantwortung des Antragsgegners für Äußerungen von Mitgliedern herbeizuschreiben, die einer Sippenhaft gleicht und rechtsstaatlichen Grundsätzen zuwiderläuft.
  3. Das Remigrationskonzept des Antragsgegners ist rechtsstaatlich und human. Bereits jetzt bestehen die rechtlichen Grundlagen für die millionenfache Rückführung von Migranten. Dass hiervon niemals deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund betroffen wären, hat der Antragsgegner in unzähligen Beiträgen in den sozialen Netzwerken,
    Bundestagsreden, nationalen und internationalen Interviews und publizistischen Beiträgen dargelegt.

  4. Der Antragssteller bezieht sich in seiner Interpretation des dem Antragsgegner zur Last gelegten Instagram-Beitrags, der einen Karin-Ritter-Rückspiegelanhänger/Duftbaum zeigt, ausschließlich auf ein dem freiverkäuflichen Produkt beigefügtes Zitat der Frau Ritter. Der Antragsteller verkennt dabei den memehaften Charakter des Duftbaumes, und damit das intersemiotische Zusammenspiel von Text und Bild, sowie die aus diesem Zusammenspiel erwachsene völlig neue und schwarz-humoristische Bedeutung. Tatsächlich verarbeitet der Antragsgegner in seinem Beitrag, das popkulturelle Phänomen des Lebens und der gesellschaftlichen Rezeption der Familie Ritter, und spielt mit Stereotypen und medialen Inszenierungen. Auf diesen Bedeutungsebenen bewegt sich der Beitrag. Bei jenem Beitrag, der lediglich 24 Stunden aufgrund einer „Instagram-Story“ online war, wurde zu keinem Zeitpunkt die Remigration deutscher Staatsbürger gefordert – im Gegenteil: die eigene Position und bewusste Fehlmeldungen des Recherchenetzwerks Correctiv wurde ironisch aufgegriffen. 

Ich bitte um zeitnahe und antragsgemäße Entscheidung. 

Mit freundlichen Grüßen 

Matthias Helferich